Der September-Sound der Weinhähnchen
Lauscht man in die Dämmerung, dann ist im September das Zirpen des Weinhähnchens (Oecanthus pellucens) der dominierende Klang. Das hochfrequente, monoton und anhaltend vorgetragene „drü-drü-drü“ ist die charakteristische Hintergrundmusik lauer Spätsommerabende und verleiht der Landschaft derzeit ein mediterranes Flair. Das Konzert startet zwischen 18 und 20 Uhr, erreicht gegen 22 Uhr seinen Höhepunkt und verstummt in den frühen Morgenstunden. Die Grillen zirpen so laut, dass sie hunderte Meter weit zu hören sind. Mit dem Werbegesang, der durch das Aneinanderreiben der Vorderflügel erzeugt wird, locken die männlichen Grillen Weibchen zur Paarung an. Diese legen dann ihre drei Millimeter großen Eier in Pflanzenstängeln ab.
Die nachtaktiven Weinhähnchen sind trotz ihrer beachtlichen Lautstärke schwer zu orten und in der Vegetation kaum zu entdecken, wenn sie mit ihrem blassen, langgestreckten Körper auf Blättern sitzen. Die eineinhalb Zentimeter großen Grillen mit langen Fühlern sind ockerfarben bis strohgelb gefärbt und gleichen auf den ersten Blick eher einem Ohrwurm als einer Grille. Den Tag verbringen die flugfähigen Tiere am Boden in der Vegetation. Weinhähnchen kann man von Juni bis in den Oktober entdecken. Sie ernähren sich von Pflanzenteilen, Spinnen, Wanzen und Blattläusen und werden selbst von Eidechsen, Wespen oder der Gottesanbeterin gefressen.
Das wärmeliebende Weinhähnchen war ursprünglich im Mittelmeerraum und Nordafrika zuhause. Es kam vermutlich mit dem Weinbau der Römer zu uns und hat sich entlang warmer Flusstäler ausgebreitet. In den 1990er Jahren lagen Verbreitungsschwerpunkte im Rheingraben und von dort ausgehend unter anderem im Kraichgau und Strom- und Heuchelberggebiet, die als bedeutende Vorkommen im Land gelten. Inzwischen begünstigt der Klimawandel eine Ausbreitung nach Norden und Osten: Die nördliche Verbreitungsgrenze hat sich mittlerweile von Süddeutschland in die Niederlande verschoben. Witterungsbedingt schwanken die Bestände der Art erheblich, sie gilt aber aktuell bundesweit als nicht gefährdet.
Der von „Tiervater Brehm“ vergebene Artname legt den Bezug zu wärmebegünstigten, sonnigen Reblagen und Weinbergbrachen nahe. Weinhähnchen kommen aber auch auf Trockenrasen und Böschungen sowie in Steinbrüchen und Gärten vor. Günstig sind trockene Lebensräume mit Staudensäumen und Trockenmauern. Wegen seiner speziellen Ansprüche ist das Weinhähnchen nicht häufig und nur in bestimmten Landesteilen anzutreffen. Mit ihrer großartigen Klangkulisse ist die kleine unscheinbare Grille eine besondere Erscheinung und Bereicherung in der Fauna unserer Region.
Dr. Stefan Bosch, 09.09.2025
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