Stare

Spektakulär und ohne Kollisionen: Die Flugshows der Stare

Millionen Zugvögel sind Ende des Sommers in Europa auf dem Weg in ihre Überwinterungsgebiete. Eine Ahnung davon vermitteln uns die herbstlichen Formationsflüge der Stare (Sturnus vulgaris). Diese überaus eindrucksvollen abendlichen Naturschauspiele finden im Herbst und über den gesamten Winter statt. Im Oktober sind die Schwärme jedoch am größten, bevor die meisten Stare als Kurzstreckenzieher nach Südwesteuropa fliegen und nur ein Teil in milden Regionen wie der Rheinebene überwintert.

Die spektakulären Flugshows vor der untergehenden Sonne mit tausenden und manchmal noch weitaus mehr Vögeln spielen sich über den Schlafplätzen ab, die die Vögel zum gemeinsamen Übernachten in Schilfgürteln, Baumgruppen oder begrünten Fassaden in Städten ansteuern. Bevor die Vögel endgültig landen, formieren sich die Schwärme zu Wolken, die kreisen und wogen, sich aufteilen und wieder vereinen, verdichten und strecken. Oft stoßen noch weitere Vogeltrupps hinzu und vergrößern den Schwarm. Die abrupten Richtungsänderungen der Vogelwolken sind atemberaubend. Erleben kann man die Schlafplatzflüge in der Abenddämmerung, im Enzkreis und im Gebiet des Naturparks vor allem in Flusstälern und an Schutzgebieten mit schilfbestandenen Ufern.

Möglich wird das Schwarmverhalten durch optimale Kooperation. Studien zeigen, dass es für die Flugmanöver keinen Anführer gibt, der die Richtung vorgibt. Jeder Vogel fliegt in etwa gleicher Geschwindigkeit und Position und hat dabei circa 15 Artgenossen grob und sieben benachbarte genau im Blick. Auf einen Richtungswechsel reagiert jeder Vogel innerhalb von wenigen Millisekunden mit derselben Flugänderung, vergleichbar mit der La Ola-Welle im Fußballstadion. Selbst in dichten Schwärmen verlaufen die Flüge absolut kollisionsfrei. Mit der Synchronisation vieler Individuen ergibt sich die faszinierende Choreografie der Schlafplatzflüge. Das Verhalten dient dem Anlocken von Artgenossen, dem gemeinsamen Übernachten und vor allem dem Schutz vor Fressfeinden, denn Greifvögel wie Sperber und Wanderfalken haben es schwerer aus einer Gruppe einen Vogel zu erbeuten. Bei ihren Attacken richten die Stare ihre Flugbewegungen zur Mitte hin, so dass sich die Wolke verdichtet.

Starenschwärme sind nicht nur in der Zoologie von wissenschaftlichem Interesse, mittlerweile gewinnen auch Physik, Mathematik, Informatik und Aeronautik aus ihnen Erkenntnisse über die komplexe Koordination in sich bewegenden Gruppen. Und für Naturbeobachtende sind Starenschwärme, die mit rauschenden Flügeln vorüberschießen und mit viel Gezwitscher am Schlafplatz einfallen, einfach ein mitreißendes Naturerlebnis, das zu einem kühlen Oktoberabend gehört.

Stefan Bosch, 29.09.2025